Das Bauwesen trägt bis zu 60% zum globalen Ressourcenverbrauch bei, mit weiter steigendem Verbrauch durch die weltweit wachsende Bevölkerung. Durch den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen im Bauwesen - Stichwort Leichtbau - ergeben sich außergewöhnlich hohe Einsparpotentiale im Materialverbrauch, bei den Baustoffkosten, in der Bauzeit, beim Gewicht, in den Wandstärken, bei den Treibhausgasen und im Abfallaufkommen. Die meisten Faserverbundwerkstoffe bestehen aus einer Faserverstärkung (Glas, Carbon, Basalt oder Aramid) und einer organischen Matrix (duroplastisch, thermoplastisch). Aufgrund des organischen Anteils sind diese Verbundmaterialien allerdings brennbar. Für Hochtemperaturanwendungen bzw. für den Einsatz in nichtbrennbaren Anwendungen können solche Faserverbundwerkstoffe daher nicht verwendet werden. Bisher wurden in solchen Fällen u.a. nur keramische Faserverbundwerkstoffe (CMC) verwendet. Diese sind charakterisiert durch eine zwischen keramischen Langfasern eingebettete keramische Matrix. Die Prozesse zur Herstellung von Keramikfasern und von keramischen Faserverbundwerkstoffen sind aufgrund der hohen Temperaturen sehr energieintensiv. Daher sind CMCs relativ teuer und werden vorwiegend nur in speziellen Bereichen eingesetzt in denen konventionelle Faserverbundwerkstoffe und konventionelle technische Keramik nicht verwendet werden können.
Eine Alternative zu den CMCs sind Faserverbundwerkstoffe, deren Matrix aus einer kalthärtenden Phosphatkeramik besteht und mit der sich auch nichtkeramische Faserverstärkungen verarbeiten lassen. Diese sogenannten „Chemically Bonded Phosphate Ceramics“ (CBPC) sind ebenso anorganisch und nicht-brennbar wie CMCs. Jedoch binden diese chemisch-thermisch bei Temperaturen unter 500°C ab und führen daher nicht zu einer thermischen Schädigung von Faserverstärkungen aus Basalt oder Glas. Dadurch kann der maximale Temperatureinsatzbereich von Basalt- und Glasfasern komplett ausgenutzt und die bestehende Temperatureinsatzlücke zwischen den konventionellen Faserverbundwerk-stoffen und den CMCs deutlich verringert werden was in Abb. 1 veranschaulicht wird.
Calcium-Phosphatkeramiken sind derzeit die verbreitetsten Phosphatkeramiken für technische Anwendungen. So wurde vor etlichen Jahren bereits ein System unter dem Namen Vubonite entwickelt, welches einen Einsatz im Handlaminier-Verfahren findet. Obwohl in einigen Publikationen von Pultrusionsversuchen mit Vubonite berichtet wurde, ist dieses System für das Pultrusionsverfahren grundsätzlich kaum geeignet. Aufgrund des anisotropen Verhaltens des Calciumsilikates (Wollastonit) im Schlicker sind höhere Faservolumengehalte von mehr als 20% nicht realisierbar, da die Faser-Schlicker-Mischung sich bei der Kompression am Werkzeug-Eingang so stark verhakt, dass sich das Material aufstaut und infolge der resultierenden Scherkräfte die Faserverstärkung abreißt. Ein weiterer Nachteil des Vubonite-Systems ist die geringe Verarbeitungszeit von 45 min, was für industrielle Anwendungen in kontinuierlichen Verfahren wie die Pultrusion eine wirtschaftliche und sichere Prozessführung nicht gewährleisten kann. Im AiF-Projekt „NiBreMa“ wurde ein Nicht-Brennbarer Materialverbund bestehend aus einer kalthärtenden phosphatischen Keramikmatrix und einer Verstärkung mit Basaltfaser-Rovings untersucht. Hierzu wurde ein für das Pultrusions-Verfahren praxistauglicher Keramik-Schlicker entwickelt.
94 Seiten, 62 Abbildungen, 14 Tabellen
Bearbeitungszeitraum:
01.10.2020 – 31.12.2022
Autoren:
Martin-Uwe Witt
Bernhard Heidenreich
Dr.-Ing. Sathis Kumar Selvarayan
Prof. Dr.-Ing. Markus Milwich
Forschungsstelle:
DITF – Institut für Textil- und Verfahrenstechnik
DLR – Institut für Bauwesen und Strukturtechnologie
Erschienen:
20.04.2023